Denn er hat seinen Engeln befohlen


Chor- und Orgelkonzert zur Passionszeit


„Zwischen Donner und Engeln“
Vokalensemble crescendo begeistert mit intensivem A-cappella-Konzert

Von Miriam und Michael Greiner

Zu einem Konzert mit geistlicher Musik hatte das Vokalensemble crescendo am Abend des Passionssonntags in die St.-Felizitas-Kirche geladen, und die sehr gut gefüllte Kirche zeigte das große Interesse des Lüdinghauser Publikums – unbedingt zu Recht, denn dargeboten wurde ein reichhaltiger Bilderbogen musikalischer Schätze in durchweg souveräner Interpretation. Pfarrer Benedikt Elshoff stellte einleitend den großen Zusammenhang zwischen dem Konzertprogramm, dem Evangelium des Passionssonntags und der krisenhaften Grundstimmung unserer Tage her und bot dadurch eine Leitlinie für das Zuhören an, der man – zumal im atmosphärischen Rahmen des Kirchenraums mit dem zur Passionszeit verhüllten Kreuz und dem Lüdinghauser Hungertuch – sehr gut folgen konnte.

Schon die einleitende frühbarocke Psalmmotette von Andreas Hammerschmidt zeigte klar die musikalische Qualität des Ensembles unter der Leitung von Kantor Thomas Kleinhenz auf: große intonatorische Sicherheit, Reichtum an Klangfarben und dynamischer Gestaltung, klare Textdeklamation, eine Kultur des Aufeinanderhörens – kurz: Dieses Ensemble beherrscht die hohe Kunst des A-cappella-Gesangs ohne jeden Zweifel. Die nächste Station des sehr abwechslungsreichen Programms bestand dann aus gleich zwei Vertonungen des „Ave verum corpus“: Der weltberühmten, in großer Klangschönheit vorgetragenen Mozart-Fassung stand in interessantem Kontrast eine zeitgenössische Vertonung durch Philip Stopford gegenüber, die mit ihrer expressiven Vorhaltsharmonik eine mystische Stimmung erzeugte und die Chorstimmen zu perfekter Verschmelzung brachte. Vokales Hauptwerk des Abends war dann die monumentale Motette „Warum ist das Licht gegeben dem Mühseligen“ von Johannes Brahms, die mit ihrer schmerzerfüllten Chromatik und komplexen Polyphonie immer eine schwierige Herausforderung für Chöre darstellt, an diesem Abend aber ebenso makellos sicher dargeboten wurde wie der Rest des Programms.

Nach solcher Dramatik waren die lichtvollen Doppelchöre Mendelssohns – so das berühmte „Denn Er hat seinen Engeln“, das dem ganzen Konzert das Motto gab – wahrhaft Trost aus der himmlischen Welt, wobei sich die Chorstimmen mühelos in die vom Komponisten geforderten Höhen schwangen. So bestärkt, ging es zurück in die Tiefe des Leids und der Passion: In Heinrich Kaminskis Vertonung des Psalms 130 berührte insbesondere das von Katharina Speitel mit großer Reinheit vorgetragene Sopransolo über dem Klanguntergrund des Chores – das Vertrauen des Menschen, der sich in allem Dunkel von seinem Gott gehalten weiß. Im letzten Ruf des sterbenden Christus am Kreuz („Eli, Eli, lamma sabacthani“ – „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“) scheint nun selbst dies noch in die Finsternis zu entschwinden – die eindringliche moderne Vertonung dieses biblischen Textes durch György Deák-Bárdos brachte dem Publikum dieses göttliche Drama erschütternd nahe und nötigte angesichts der schwierigen, doch souverän ausgeführten Chor-Glissandi erneut großen Respekt für die Intonationssicherheit des Ensembles ab.

Weit mehr als Intermezzi, vielmehr wesentliche Bereicherungen des musikalischen Spannungsbogens waren die drei solistischen Orgelvorträge von Thomas Kleinhenz: Pachelbels Choralpartita „Was Gott tut, das ist wohlgetan“, die mit lebhafter Agogik und perlendem Spiel den Farbenreichtum der Orgel gut zur Geltung brachte, sodann Mendelssohns gewaltige A-Dur-Sonate mit der souverän beherrschten und transparent vorgetragenen Choralfuge im Mittelteil und schließlich Bachs wunderbares Choralvorspiel „O Mensch, bewein dein Sünde groß“ mit fein ausgeführter Ornamentik.

Nach so viel existentieller Tiefe brachten die letzten drei Chorstücke, nun mit Klavierbegleitung, eine durchaus wohltuende „Leichtigkeit“ zurück: Das „Ave Maria“ von Vavilow wirkte mit schwelgender Melodie fast schon kitschig-schön, während die abschließenden, rhythmisch mitreißenden Stücke von Mark Hayes den Chor noch einmal von einer ganz anderen, enthusiastisch schwungvollen Seite zeigten und das Konzert in authentischem Gospel-Feeling enden ließen. Eindrücklich vorgeführt wurde somit ein ganz breites Spektrum wundervoller geistlicher Musik – und das begeisterte Publikum dankte es dem Ensemble zu Recht mit langanhaltendem Applaus. Das Vokalensemble crescendo hat mit diesem Konzert erneut unter Beweis gestellt, dass es eine große Bereicherung für Lüdinghausens Kulturleben ist. Mit zwei Zugaben – darunter noch einmal Mendelssohns Engelschor – wurde das Publikum nach Hause entlassen.

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